Gleisabstände - Abstände vom Gleis

Dieser Artikel erschien in "bahn und modell" 4/1990. Spätere Aktualisierungen, z.B. wegen neuer Erkenntnisse oder gar neuer Modelle, sind rot gekennzeichnet.

Das Lichtraumprofil

Grundlage für die Festlegung der Gleisabstände ist im Prinzip das sogenannte Lichtraumprofil. Dies ist nicht mehr als eine bemaßte Zeichnung, der der EBO (Eisenbahn-Bau- und Betriebsordnung) als Anlage 1 beigefügt ist und aus der hervorgeht, wieviel Platz unter welchen Umständen für ein sich bewegendes Eisenbahnfahrzeug freizuhalten ist. Diese Zeichnung ist für den Modellbahner nicht unmittelbar ergiebig, so dass wir hier auf die Wiedergabe verzichten und statt dessen die sich aus ihre ergebenenden Abstände (für die wichtigsten Modellmaßstäbe umgerechnet) in der Tabelle 1 zusammengefasst haben.

Gleisabstände auf freier Strecke

Jedenfalls ergibt sich aus der Vorschriften der EBO eine Mindestgleisabstand zwischen zwei Gleisen von 4 m, für Neubauten ist dies das seit Reichsbahnzeiten vorgeschriebene Minimum. Aber insbesondere bei den preußischen Eisenbahnen waren noch kleinere Abstände zugelassen: Der Regelabstand zwischen den beiden Gleisen einer doppelgleisigen Strecke war hier 3,50 m. Die lichten Räume beider Gleise überschnitten sich also; man setzte voraus, dass der neben den Fahrzeugen freizuhaltende Raum nicht von beiden Seiten gleichzeitig genutzt wurde. In sich begegnenden Zügen durften also nicht zwei Reisende gleichzeitig den Kopf aus dem Fenster stecken! Diesen Zustand betrachtete man bald als nicht mehr sicher, zumal die Fahrzeuge breiter wurden. So weit es der Platz zuließ, wurden und werden solche Anlagen umgebaut, wo möglich, auf den heute vorgeschriebenen Gleisabstand von 4 m; wenn dies aus zwingenden Gründen nicht geht, auf mindestens 3,75 m.

Das eben gesagte sei hier noch einmal etwas erläutert: Die ursprünglich verkehrenden Abteilwagen waren schmaler als heutige Fahrzeuge, da sich das Personal gegebenenenfalls außen am Fahrzeug auf den durchgehenden Trittbrettern den Zug entlang bewegen musste, und dafür wurde eben Platz freigehalten. Wenn auf zweigleisigen Strecken nur die abgewandte Zugseite genutzt wurde, war innen Platz genug für die Köpfe. Als dann zunächst Türen zwischen den einzelnen Abteilen und dann durchgehende Gänge aufkamen, konnte die gesamte zulässige Fahrzeugbreite für den Wagenkasten genutzt werden, aber die 3,5 m Gleisabstand wurden zu knapp.

Dennoch sind auch heute noch einige Strecken mit 3,50 m Gleisabstand vorhanden, z.B. auf alten Brücken wie der Rendsburger Brücke über den Nord-Ostsee-Kanal.

Die immer höheren Zuggeschwindigkeiten führten dazu, dass ein immer größerer Sicherheitsabstand für nötig gehalten wurde; heute werden Gleisabstände von 4,20 m und mehr angestrebt. Bei den Neubaustrecken mussten zusätzlich aerodynamische Gesichtspunkte in Betracht gezogen werden: Die schnell fahrenden Züge schieben Druckwellen vor sich her, die sich beim Begegnen addieren. Daher wurde für die Neubaustrecken ein Gleisabstand von 4,7 m festgelegt.

Abstände vom Gleis

Zu Signalen, die zwischen den Gleisen stehen, sowie zu allen anderen Gegenständen oder Bauten im Bahnhof muss mindestens ein Abstand von 2,20 m freigehalten werden, von der Gleismitte aus gemessen. Daraus folgt, dass erst von einem Gleisabstand von 4,5 m an Signale zwischen den Gleisen aufgestellt werden können. Selbst dann muss bei den Form-Hauptsignalen die Schmalmastausführung, bei Form-Vorsignalen die hohe Ausführung gewählt werden, denn es stehen ja nur 10 cm Freiraum zur Verfügung. Ist der Gleisanstand kleiner als 4,5 m, passen zwischen die Gleise nur Zwergsignale. Bei anderen Signalen (z.B. "Halt für Rangierfahrten", Schachbretttafel, Vorsignalbaken etc.) muss die niedrige Ausführung eingesetzt werden; unterhalb von 4 m Gleisabstand geht auch dies nicht mehr. Wo Hauptsignale erforderlich sind, müssen sie entweder auf der falschen Seite des Gleises oder auf einer Signalbrücke angebracht werden (ausführliche Angaben hierzu finden sich im MIBA-Report 17 & 18 "Signale" von Stefan Carstens).

Müssen Oberleitungs- oder Lichtmasten zwischen den Gleisen aufgestellt werden, wir der Gleisabstand um 50 cm vergrößert.

Abstände vom Gleis (in mm) beim Vorbildim Modell
0H0NZ
Einseitig genutzte Bahnsteige
Gepäckbahnsteige
Höhe über SO
Abstand von GM
210-250
1600
5-6
37
2,5-3
18,5
1,5
10
1
7,5
Niedrige Bahnsteige Höhe über SO
Abstand von GM
380
1600
8,7
37
4,3
18,5
2,3
10
1,7
7,5
Hochbahnsteige
Signale in Zwergausführung
Höhe über SO
Abstand von GM
760
1700
17,5
39
8,6
19,5
4,7
11
3,5
8
Güterrampen Höhe über SO
Abstand von GM
1100
1700
25
39
12,5
19,5
6,8
11
5
8
Sämtliche Gegenstände im Bahnhof, auf freier Strecke Signale zwischen den Gleisen, Tunnel, Überführungen, große Gebäude Abstand von GM 220050,5251410
Auf freier Strecke Signale neben dem Gleis, Maste, kleine Gebäude, Brückengeländer etc. Abstand von GM 250057,52915,511,5
Feste Gegenstände auf Bahnsteigen wie Stützen der Bahnsteigüberdachung, Signale Abstand von GM 30006934,51913,5
Gebäude, Treppen etc. auf Bahnsteigen Abstand von Bahnsteigkante 250057,52915,511,5

Abstände im Bogen

Erwähnt sei auch, dass bei Gleisbögen unter 250 m Radius der lichte Raum verbreitert werden muss, und zwar abhängig vom Radius, um dem Fahrzeugüberhang um Bogen Rechnung zu tragen. Demgemäß sind auch alle Abstände zu vergrößern, auch der Gleise untereinander (Tabelle 2). Dies gilt natürlich in noch größerem Maße fürs Modell, weil dort im allgemeinen die Radien gegenüber dem Vorbild kleiner gewählt werden.

Übrigens: Da der Radius der Standardweiche der deutschen Eisenbahnen 190 m beträgt, also weniger als 250 m, muss auch hier auch für den Weichenbogen das Lichtraumprofil erweitert werden (beim Vorbild um 65 mm nach außen und um 75 mm nach innen); auch dies gilt für die Modellbahn in verstärktem Maße. Liegt eine solche Weiche direkt am Bahnsteig, muss die Bahnsteigkante dem angepasst werden. Sie erhält also eine "Beule" - siehe . Das sieht zwar etwas merkwürdig aus, aber so etwas gibt es beim Vorbild, warum also nicht auch im Modell?

Die Erweiterung des Lichtraumprofiles im Weichenbogen hat auch Konsequenzen für die Signalaufstellung: Jene 10 cm beispielsweise, die bei 4,5 m Gleisabstand für Signale zur Verfügung stehen, fallen im Bereich des Weichenanfangs der Erweiterung des lichten Raumes zum Opfer. Kann das Signal nicht versetzt werden, weil die Gleislänge gebraucht wird oder weil sonst die Signale verwechselt werden könnten, hat man einen plausiblen Vorwand für eine Signalbrücke gewonnen. Aus dem gleichen Grund kann ein Schmalmast erforderlich werden, obwohl der Platz sonst für einen Gittermast gereicht hätte. Auch für die Auswahl der Weichen selber hat das Konsequenzen. Zumindest theoretisch dürfen bei 4 m Abstand keine Gleise mit 190-m-Weichen abzweigen, schon gar nicht bei geringeren Gleisabständen.

Gleisabstände im Modell

Die meisten Modellbahn-Gleissysteme sehen weitaus größere Gleisabstände vor, als dies dem Vorbild entsprechen würde. Der Grund hierfür war ursprünglich, dass der Weichenbogen aus einen Teil des Normalkreises besteht z.B. 1/12 bei MÄRKLIM-M-Gleisen, und da dieser Radius klein war, ergab sich durch Bogen und Gegenbogen ein großer Gleisabstand. Paradoxerweise ist es heute die Maßstäblichkeit der Fahrzeuge, die zu größeren Gleisabständen zwingt; ROCO hat für seine neues ROCOline-System einen Gleisabstand von 61,2 mm (umgerechnet also 5,36 m) gewählt, damit sich auch in engen Kurven die maßstäblichen D-Zug-Wagen begegnen können. Umgekehrt muss der vorbildnahe Gleisabstand des neuen LIMA-Gleissystems zumindest in engen Kurven vergrößert werden (siehe oben!).

Wie wir aber gleich noch zeigen werden, kann man die Gleisabstände eines Modellbahn-Gleissystems im Bahnhof durchaus belassen, auf der Strecke aber auf das Vorbildmaß reduzieren. Zumindest in engeren Bögen muss man dann aber die Gleise wieder auseinanderrücken, wie weit, hängt vom gewählten Gleisabstand, dem Radius und der Länge der verwendeten Fahrzeuge ab. Hier gilt eigentlich nur eine Devise: Ausprobieren! Außerdem steht als Planungsgrundlage die NEM (Normen europäischer Modellbahner) 102/1 und 102/2 "Umgrenzung des lichten Raumes" zur Verfügung; allerdings gehen die NEM von einem von vorneherein um etwa 10 % breiteren Lichtraumprofil aus, um Unmaßstäblichkeiten und die relativ größeren Toleranzen des Fahrzeug­laufs zu berücksichtigen.

Will man Vorbildgleisabstände von 4 m und darunter nachbilden, so stellt sich ein weiteres Problem: Viele Modell-Dampflokomotiven sind im Bereich der Zylinder erheblich zu breit. Wer also eine in Preußen angesiedelte Anlage der Epoche I streng maßstäblich halten will, kommt wahrscheinlich um einige Umbauten nicht herum. In N und Z sollten (umgerechnet) 4 m problemlos möglich sein; darunter wird es eng, denn die von uns nachgemessenen Fahrzeuge waren zurückgerechnet schon etwas mehr als 3,5 m breit.

Gleisabstände im Bahnhof

Grundsätzlich waren die Gleisabstände im Bahnhof einen halben Meter größer als auf der freien Strecke. Allerdings durfte und darf der Gleisabstand der freien Strecke im Bahnhof beibehalten werden - wenn auch die Bundesbahn heute bei Umbauten meist den Gleisabstand im Bahnhof vergrößert. Dadurch wird eine sog. Gleisverschwenkung erforderlich, die man auch im Modell nachahmen kann, um von einem vorbildnahen Gleisabstand der Strecke auf den systembedingten im Bahnhof zu kommen.

Liegt ein Bahnsteig zwischen den Gleisen, sind natürlich viel größere Abstände nötig. Beim Vorbild richten sie sich im wesentlichen nach dem Verkehrsaufkommen, ferner danach, ob der Bahnsteig auch für den Gepäckverkehr genutzt wird und wieviel Platz Treppe, Aufgänge, Dienstgebäude und Kioske beanspruchen. Für Zwischenbahnsteige (das sind die einseitig genutzten, siehe und ) empfahl der V.D.E.V. (Verein Deutscher Eisenbahn-Verwaltungen) 5 m als Minimum, die heutige EBO verlangt 6 m. Inselbahnsteige erfordern Gleisabstände von mindestens 9 m bei geringem Verkehrsaufkommen. Großstadtbahnhöfe kommen meist auf 13 m Gleisabstand, also knapp 10 m Bahnsteigbreite, wenn nicht die örtlichen Verhältnisse zu Einschränkungen zwingen. Aber auch noch breitere Bahnsteige sind zu finden.

Allerdings wird sich jeder Modellbahner, der halbwegs vorbildgemäße Bahnsteigbreiten anstrebt, von allen Zubehörherstellern verlassen fühlen. Denn was da angeboten wird, ist, zumindest nach heutigen Maßstäben, eher dem Spielzeug zuzurechnen. Da kommt kein Gepäckkarren zwischen Treppe und Bahnsteigkante durch! Es wäre an der Zeit, hier etwas Brauchbareres anzubieten. Der doppelte Gleisabstand des ROCO-line-Systems (122,4 mm) entspricht 10,6 m beim Vorbild, das gäbe gut 7 m Bahnsteigbreite - wäre das nicht ein universeller Kompromiss?

Gleisverschwenkung

Eine Gleisverschwenkung, auch Gleisverziehung genannt, wird erforderlich, wenn der Gleisabstand der freien Strecke vergrößert werden muss - meist, um auf die heute üblichen größeren Bahnhofsgleisabstände zu kommen. Die Bögen werden wegen ihrer Kürze nicht überhöht, daher verwendet man, um die Reisenden nicht allzusehr zu beuteln, verhältnismäßig große Radien. Bei 100 km/h Streckengeschwindigkeit wären es 4000 m. Zum Vergleich: Mindestradius für diese Geschwindkeit ohne Überhöhung 1200 m, mit voller Überhöhung 475 m. Fürs Modell ergibt sich daraus nur der Rat, einen Radius zu wählen, der groß ist gegenüber den sonst auf der Anlage verwendeten. Um von 46 mm (= 4 m beim Vorbild) auf die 61,2 mm von ROCO zu kommen, empfiehlt sich eine Länge der ganzen Verschwenkung von etwa 50 cm. Dabei ist die notwendige Zwischengerade zwischen Bogen und Gegenbogen eingerechnet.

Eine Anmerkung zum Schluss: Regelabstand bedeutet, dass dieser Abstand den Normalfall darstellt. Tatsächlich findet man beim Vorbild unter dem Zwang örtlicher Gegebenheiten alle möglichen Abstände, so dass man sich als Modellbahner keineswegs sklavisch an die vorgegebenen Maße halten muss.

Übersicht Vorbildfotos
L1000643
Der Standard: 4 m
153011
Bebra - Cornberg
Margetshöchheim
152807
3,5 m im Modell
152813
4,0 m im Modell
152821
4,5 m im Modell
152722
Aschau
152605
Würzburg
152831
10 m Bahnsteig
152837
Breiter Bahnsteig
160631
Bahnsteigbeule
187307
Gebäude am Gleis
Q1020113
Wildeshausen
153017
Friedland
181436
3,56 m Gleisabstand (SNCF)

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