Diesen Text habe ich vor Jahren geschrieben, vor Jahrzehnten sogar. Dennoch, so wahnsinnig viel hat sich seither noch nicht getan,
z.B. fehlt immer noch ein vorbildgerechter L7. Und ich habe noch nicht alles vom
Präsens ins Imperfekt gesetzt...
Die Schweiz gehört sicher zu den Ländern, in denen die Modellbahnerei ebenso intensiv
betrieben wird wie in Deutschland. Andererseits waren und sind die Schweizer Eisenbahnen vor allem wohl wegen
ihrer spektakulären Alpenüberquerungen auch andernorts ein
beliebtes Modellbahnthema. Daher gab es für Fahrzeuge nach Schweizer Vorbildern stets
einen Markt, und so hatte eigentlich jeder Hersteller neben Modellen von Triebfahrzeugen
und Personenwagen auch mindestens einen Güterwagen nach Schweizer Vorbild im
Programm. Wie auch in Deutschland tauchten in den letzten Jahren einige Kleinserienhersteller und Bausatzlieferanten
auf dem Schweizer Markt auf, die die noch verbliebenenLücken schlossen, so dass insgesamt ein recht vollständiges Angebot an Schweizer Güterwagen zu
verzeichnen ist. Ganz neu auf dem Markt sind jetzt die Modelle des K3 von
ROCO und des K2 von BRAWA gekommen.
Außerdem hatten insbesondere die gedeckten Güterwagen der Schweizer Bundesbahnen ein
typisches Aussehen, was sie den gewölbten, über das Bremserhaus gezogenen Wagendächern
verdanken. Hinzu kommt, dass die Schweiz auch heute noch das Land der Privatbahnen ist. So
hatten auch vollspurige Bahnen einen eigenen Güterwagenpark, allen voran die BLS, deren
Typen aber in der Regel baugleich mit denen der Bundesbahn waren.
Vorweg ein kleines Verzeichnis der Hauptgattungszeichen, die die Schweiz bis zu Einführung
der UIC-Beschriftung benutzte:
K - Gedeckte Wagen
J - dto., nicht für Lebensmittel (z.B. mit Stirntüren)
L - Offene Wagen
M - Rungenwagen
N - Schemelwagen
O - Kesselwagen, Spezialwagen
Hinzu kam eine Ziffer und eventuell noch ein hochgestellter Buchstabe, die die Bauart oder
Besonderheiten bezeichneten. Die Ziffern wurden fortlaufend vergeben, ausgelaufene Kombinationen, z.B. L2, später wieder besetzt. Diese wenigen Zeichen reichten aus,
die Schweizer Güterwagen zu unterscheiden, was vor allem daran lag, dass die SBB nur wenige Bauarten
kannten, die sie aber über lange Zeit hinweg einsetzten, so dass die Typenvielfalt geringer war
als beispielsweise in Deutschland.
Schweizer Epochen
Während in Deutschland die Weltkriege die Epochengrenzen markieren, jedenfalls zwischen den
ersten drei Epochen, liegt die Sache in der stets neutralen Schweiz natürlich anders. Den
Übergang zwischen der Epoche I und dem folgenden Zeitabschnitt markiert die Gründung der
Schweizer Bundesbahnen SBB kurz vor dem ersten Weltkrieg. Modelle der Epoche I, also der
Streckengesellschaften wie der Gotthardbahn, fanden sich im Lieferprogramm der Walter Waibl AG unter dem Handelsnamen RUCO.
Zwei Grundmodelle der aus der Schweizer Epoche 1, ein
offener und ein gedeckter Güterwagen, werden in zahlreichen Beschriftungsvarianten (auch der
Epoche II) und mit verschiedenen Ladegütern angeboten. Außerdem lieferte RUCO Austauschachsen mit feinem Spurkranz, Federpuffer, Bahnhofsschilder und weiteres nützliches Zubehör
für den Liebhaber Schweizer Modelle, darunter eine Bremserbühne mit oder ohne Bremserhaus
zur Umrüstung der Kesselwagen von Sachsenmodelle, die ein für die Schweiz natürlich falsches
deutsches Bremserhaus tragen.
Die Grenze zwischen der Epochen II und III ist weniger scharf. Man kann es sich fast aussuchen:
Die Einführung des RIV-Zeichens statt des Transit-T? Das Auftauchen der EUROP-Beschriftung im Jahre 1953? Ab 1955 pinselten die SBB ihre Güterwagen
im Einklang mit den UIC-Regeln braunrot an, statt bisher eisengrau. Dies ist noch die sichtbarste Veränderung. Allerdings
sind (wegen der Hauptuntersuchungsfristen) die letzten grauen Güterwagen erst nach 1960
verschwunden. Und das ist gut so! Denn in der Schweiz ist anders als bei uns die Epoche III
nicht gerade Modellbahners Liebling, unsere Schweizer Kollegen bevorzugen die ganz alte oder
die ganz neue Bahn. Und so sind viele Güterwagenmodelle vor allem auch der Kleinserienhersteller gar nicht oder nur sehr zögerlich als Epoche-III-Ausgaben erschienen. Aber auf Grund des
oben gesagten kann man sich helfen: Transit-T abschaben, ein RIV-Zeichen aus einem Gaßner-Satz aufbringen, fertig ist der Epoche-III-Güterwagen, denn die übrigen Beschriftungen haben sich nicht oder nur wenig verändert. Na ganz so einfach ist es nicht, z.B. braucht man auch noch Zettelhalter, und das Feld für
die Kreideanschriften wurde kleiner.
1950 fassten die Schweizer Privatbahnen ihre Güterwagen in einem Pool zusammen, die Wagen
wurden mit "SP" beschriftet.
Gedeckte Wagen
Hier sind für die Epoche III und folgende vor allem drei Typen interessant: K2, K3 und K4. K2
und K3 wurden über viele Jahre gebaut (K2 seit 1900, K3 seit 1913), und es gibt sie - bei
gleichen Hauptabmessungen - in verschiedenen Ausführungen mit unterschiedlichen Radständen.
Die SBB hielt anders als die DB, die die überholungsbedürftigen Baureihen in Neubauprogramme einbrachte,
die älteren Güterwagen lange im Dienst, so dass man auch den K2 noch bis in die 80er Jahre sah.
LILIPUT hatte den K2 in der ältesten Ausführung, noch mit Fachwerk-Achshaltern, im Programm; er ist neuerdings wieder lieferbar. Leider ist dies das einzige Modell dieses Fahrzeugs, das es ob seiner langen Betriebszeit in mehreren Ausführungen gibt, beispielsweise fehlt die
Version mit Bremserhaus ("Bremshütte" sagen die Schweizer), die sich wegen der abweichenden Länge des Aufbaus nicht aus dem LILIPUT-Modell umbauen
ließe (bei gleicher Rahmenlänge war der offene Bremserstand schmaler als der mit Bremshütte, zu Gunsten der Kastenlänge).
Nach 1947 wurden die K2 umgebaut, was auch Ihr äußeres Erscheinungsbild veränderte: Sie
erhielten Aluminium-Lüftungschieber und neue Dächer. Beim Modell zumindest auf den zweiten Blick sichtbar sind die Rollenlager und der auf 5 m (bisher 4,5 m) verlängerte Radstand.
Diese Version gibt es von AKU ??? nochmal prüfen ??? Neuester Zugang ist der K2 von BRAWA, der ebenfalls die Ausführung mit 5 m Radstand
nachbildet.
Der K3 ist vor allem von AKU zu haben. Dies ist ein Schweizer Hersteller, der vor allem Kunststoff-Bausätze anbietet, teilweise auch auf Fahrwerken anderer Hersteller. Der K3 ist dort auch
mit BLS-Beschriftung zu haben, allerdings jeweils immer nur gemäß Epoche IV, nach Auskunft
des Herstellers den Wünschen des Schweizer Marktes folgend. In letzter Zeit gewinnt jedoch die
Epoche III auch in der Schweiz mehr Freunde, und so wurden der K3 anlässlich des 10. Geburtstages der Firma AKU auch in dieser Beschriftung in einem Jubiläumsgebinde angeboten, und
das sogar für den EUROP-Park. Den K3 lieferte übrigens einstmalen und jetzt wieder auch
PIKO, allerdings mit falschen 4,5 m Radstand - das Vorbild hatte 5 oder 5,5 m. Außerdem ist
der eigentlich schöne und detaillierte Wagenkasten deutlich zu niedrig.
Auch beim K3 gibt es Zuwachs. Ende 2004 ist das neue Modell von ROCO erschienen. Dieses
Stück Modellpolitik ist in sofern überraschend, als es den K3 von AKU in guter Ausführung
gibt. Wie groß ist der Markt für ein weiteres Modell, und was bedeutet das für den Markt, wenn
die Großserienhersteller die kleinen ausbremsen? Erfreulich allerdings ist es, dass der Wagen
mit zwei verschiedenen Nummern in der EUROP-Version der Epoche III zu kaufen ist.
Den langen J3 (Kastenlänge 11 m) bietet in sehr guter Ausführung MÄRKLIN an, leider ist der
ansonsten maßstäbliche Wagen 2,5 mm zu lang (wegen der Stummelpuffer stimmt die LüP nur
scheinbar). Der Gesamteindruck ist aber dennoch gut getroffen.
Ein weiterer Schweizer Hersteller von Bausätzen heimischer Vorbilder war Roland BORN, aus
dieser Quelle gibt es eine Stirnwand, mit der man aus dem Märklin-J3 die Ausführung mit
Stirnwandtüren fertigen kann. Dieser Umbau war auch fertig zu haben.
Der K4 schließlich ist das Schweizer Pendant des kurzen gedeckten UIC-Standard-Güterwagens,
also das, was bei der DB der Gmms56 ist; allerdings blieb die SBB wie die FS bis heute bei
Bretterwänden. Ein Modell fand man zunächst bei FLEISCHMANN. Zwar stimmt die Zahl der
Bretter nicht ganz genau (eins zu wenig), aber das Modell weist richtigerweise die bei der SBB
üblichen Leichtmetalltüren auf. Leider jedoch sind die Türen zu schmal, weil das Grundmodell
das des deutschen Gmhs53 ist. Das Modell ist es nur für die Epoche IV/V erhältlich innerhalb
einer vierteiligen "Euro"-Sonderserie. Hinnehmen musste man auch die falsche Bremsanlage, Schweizer Güterwagen haben in der Regel eine
Oerlikon-Bremse.
Schließlich erschien der K4 in maßstäblicher Ausführung auch bei ROCO, jedoch bislang für die
Epoche III nur mit einer Beschriftung, die eigentlich einen Museumswagen der Jetztzeit dar
stellt. Der lange UIC-Standard-Wagen J4 (DB Gbs252) hat auch in der Schweiz Harzplattenwände,
ROCO hat hat die Schweizer Variante seines Modells seit 2003 im Programm.
2022 gab es dann reichlich Zuwachs. Den J4 kann man von EXACT-TRAIN beziehen, den UIC-Standard-Gs von BRAWA.
Offene Güterwagen
Hier sind für die Epoche III vier Typen interessant: L4, L5 und L6 und L7. Letzterer ist wieder
um der UIC-Standard-Wagen, der sich von seinen deutschen Vettern aber durch die Ausführung
der Türen unterscheidet. PIKO löste dieses Problem durch Formeinsätze, allerdings müsste man
diesen Wagen, so man noch welche hat, ein richtiges UIC-Standard-Fahrgestell mit 5,4 m
Radstand verpassen, etwa von KLEIN. Das ist heute aber insofern eine überflüssige Prozedur,
als man ihn dann auch gleich komplett von diesem Hersteller in moderner Fertigungsqualität
kaufen kann. KLEIN jedoch hat den L7 unverständlicherweise - im Gegensatz zu weiland PIKO
- nicht mit EUROP-Beschriftung herausgebracht. Alle L7-Modelle, auch das von ROCO, haben
jedoch einen Mangel: Die Eidgenossen haben ihrem Offenen keine Doppelschaken gegönnt (d.h.
er ist nicht wirklich ein UIC-Standardwagen, und dieser Besonderheit geht keines der aktuellen
Modelle nach.
Den L6 fand man ebenfalls bei PIKO. Das Vorbild hatte neben 5 m Radstand auch 4,5 m
aufzuweisen, so dass PIKO hier mit seinem Standardfahrgestell nicht falsch lag, wenn man von
den Achslagergehäusen einmal absieht. Wie beim L7 machte sich PIKO auch beim L6 die
Mühe, den Wagen alternativ auch in EUROP-Beschriftung anzubieten, erfreulicherweise, denn
1953 brachten die SBB vor allem diesen Wagen in den Pool ein. Allerdings ist der Wagen deutlich zu kurz. Diesen Mangel kann man
heute aber verschmerzen, denn den L6 bietet AKU mittlerweile in maßstäblicher Ausführung
an.
Der L4 ist das neueste Produkt aus der Fertigung von AKU und BORN. Er wird nur als Fertigmodell angeboten, von BORN in der Epoche II, bei AKU als Epoche-IV-Ausgabe. Das Fehlen
der Epoche-III-Variante lässt sich verschmerzen: Da die Schweizer Güterwagen erst allmählich
vom Vorkriegsgrau auf das Nachkriegs-Rotbraun umlackiert wurden, kann man sich dadurch
behelfen, dass man das Transit-T durch das RIV-Zeichen ersetzt.
Rungenwagen
Bei den Rungenwagen sind es wiederum drei Typen, M4, M5 und M6, die für die Nachkriegseisenbahn bestimmend waren. Vom M4 gibt es einen Bausatz von BORN. M5 und M6 kann
man als Bausatz oder fertig von AKU beziehen, und zwar wiederum nicht nur mit SBB, sondern
auch mit BLS-Beschriftung, und diesmal für beide Epochen. Vom vierachsigen M9 wiederum
findet man das Modell bei BORN in mehreren Ausführungen.
Soweit die Standardfahrzeuge, nun zu den Schmankerln. Da wäre einmal der Bausatz des
Schemelwagenpaares N2 von BORN zu nennen, er ergibt ein schönes Messingmodell, das man
natürlich auch gleich fertig erwerben kann. Er unterscheidet sich von seinen deutschen Vettern
dadurch, dass die beiden Hälften auch leer nicht durch eine Standardkupplung verbunden waren,
sondern durch eine Stange. 1994 ist ein Modell eines Schweizer Säurekesselwagens erschienen,
einen Kohlesäurewagen gibt es ebenfalls. Die Bausätze von Born sind sehr solide und einfach
aufgebaut und eignen sich daher auch für Anfänger. Einen Güterwagen-Ätzblech von WEINERT sollte man zur Hand haben, denn Feinheiten wie Zettelhalter, Seilösen etc. sehen die
Bausätze nicht vor. Die Preise sind, verglichen mit ähnlichen Bausätzen von Perl oder Bavaria,
extrem hoch, bedingt sicher durch die vergleichsweise kleine Auflage.
Ein weiteres Modell von Born ist der zweiachse Tiefladewagen O2 nach einem geradezu
bezaubernden alten Vorbild, zu dem man sich ein vergleichbares deutsches Gegenstück wünscht.
Betuchtere Kunden können sich bei MICRO-METAKIT ein wunderschönes, aber auch nicht
ganz billiges Fertigmodell eines vierachsigen Tiefladewagens der SBB bestellen. Ein weiteres
Modell eines Tiefladewagen insbesondere für den Panzertransport hatte LILIPUT im Programm
(M8), es ist jetzt wieder erhältlich.
Ebenfalls zu den teureren Anschaffungen gehört ein nur als Fertigmodell lieferbarer L2 von
AKU, eigentlich ein M6, der für den Transport von leeren Ölfässern einen extra hohen Aufbau
bekommen hatte. Dieser Wagen trug zwar das RIV-Zeichen, aber es ist ein wenig fraglich, ob
er tatsächlich ins Ausland gekommen ist (EUROP-Güterwagen sind in der Abrechnung billiger).
Erst recht gilt dies für die von den vorgenannten Kleinserienherstellern angebotenen Spezialfahrzeuge wie Bierwagen, Fleischkühlwagen, Zirkuswagen etc.,
die vor allem dem innerschweizerischen Verkehr gedient haben dürften.
Kesselwagen
Die Hersteller von Kesselwagen haben natürlich auch immer wieder den Schweizer Markt
bedient. So gibt es von Sachsenmodelle einige Beschriftungsvarianten der Kessel und des Weinfasswagens für den Schweizer Markt. Dabei muss man darüber hinwegsehen, dass zumindest die
Bremserhäuser teutonisch und nicht helvetisch aussehen - siehe oben.
Modelle neuerer Güterwagen gibt es ebenfalls reichlich.