Weichen

Dieser Artikel erschien in der MIBA 4/1993. Spätere Aktualisierungen, z.B. wegen neuer Modelle, sind rot gekennzeichnet.

Zuallerst wollen wir uns ansehen, wie Weichen üblicherweise bei den deutschen Eisenbahnen bezeichnet werden. Eine vollständige Benennung lautet etwa so:

EW-49- 190-1 : 9l -Fz(Hh)
12 345 67

Die Bestandteile dieses Weichennamens bedeuten folgendes:

1. Weichenart

Als erstes wird aufgeführt, um was für eine Weiche es sich handelt. Kreuzungen und Kreuzungsweichen werden dabei ebenfalls unter die Weichen gerechnet. Die Weichenarten und ihre Abkürzungen sind:

EW Einfache Weiche
DW Doppelweiche
ABW Außenbogenweiche
IBW Innenbogenweiche
Kr Kreuzung
BKr Bogenkreuzung
EKW Einfache Kreuzungsweiche
DKW Doppelte Kreuzungsweiche
EIBKW Einfache Innenbogen-Kreuzungsweiche
EABKW Einfache Außenbogen-Kreuzungsweiche
DBKW Doppelte Bogenkreuzungsweiche
DIBKW Doppelte Innenbogen-Kreuzungsweiche

2. Schienenprofil

An zweiter Stelle der Weichenbezeichnung wird das Schienenprofil angegeben, aus dem die Weiche gefertigt ist. Aus den weit über 100 verschiedenen Profilen, die allein bei den deutschen Bahnen verwendet wurden, sind für den Weichenbau nur eine Handvoll herangezogen worden, wobei wie beim einfachen Gleis die Profile wegen des wachsenden Verkehrs und der steigenden Lasten immer schwerer wurden.

Die folgenden Profile waren üblich:

5 Form 5, preußisch und Privatbahnen 24,43 kg/m (S24)
6d Form 6, preußisch und Privatbahnen 33,47 kg/m (S33)
IX Form IX, Bayern 34,87 kg/m
129 Form 129, Baden
D Form D, Württemberg
V Form V, Sachsen 34,4 kg/m
8a Form 8, preußisch und Privatbahnen 41,38 kg/m ( S41)
X Form X, Bayern 43,8 kg/m
140 Form 140, Baden, Pfalz und DRG 43,8 kg/m
E Form E, Württemberg43,8 kg/m
VI Form VI, Sachsen
49 S49, DRG, DB, DR, Privatbahnen
54 S54, DB, seit 1991 auch DR
60 UIC60, DB, seit 1991 auch DR
65 R65, DR

Zu dieser Aufstellung noch einige Anmerkungen:

Die erste Gruppe umfaßt Weichen der Länderbahnen aus relativ leichten Profilen (um 34 kg je m). Weichen aus diesen Schienen sind kaum noch vorhanden, lediglich die Form 6d und gelegentlich sogar Form 5 finden sich noch recht häufig bei Privatbahnen.

Die zweite Gruppe umfaßt Länderbahnweichen der letzten Generation aus Profilen von etwa 41 - 43 kg/m Masse. Die süddeutschen Verwaltungen hatten dabei schon eine gewisse Vereinheitlichung erzielt, Bayerns Form X, Württembergs Form E und Badens Form 140 sind praktisch gleich. Die DRG strebte eine weitere Rationalisierung an und schuf 1935 eine neue Generation von Weichen aus dem Profil 140, die sogenannten Iol-Weichen (nach Ihren Zeichnungsnummern so genannt), die der Vereinheitlichung der süddeutschen Weichenlandschaft dienten. Solche Weichen sind auch heute noch relativ häufig zu finden, z.B. besteht der Bahnhof Lahr komplett aus dieser Bauart. Die preußischen Weichen der Form 8a waren in so großer Zahl vorhanden, dass sie weiter gefertigt und repariert wurden - die DB stellte die Unterhaltung preußischer Weichen erst 1976 ein.

Die letzte Gruppe umfaßt die modernen Profile. Die S-Bezeichnung entstammen der DIN 5902, die nachstehende Zahl gibt die ungefähre Masse in kg/m an. Die Weichen der Bauart S49 wurden 1929 von der DRG eingeführt, die Bundesbahn baute sie ab 1984 nicht mehr neu ein, die DR jedoch auch heute noch. Abgelöst wurde die S49-Weiche bei der DB durch die S54-Bauart. S49 und S54 unterscheiden sich nur durch die Dicke des Steges, Schienenhöhe, Fuß- und Kopfbreite sind gleich, daher sind Kombination von Weichenteilen aus S49- und S54-Profilen möglich und kommen durchaus vor. Auf besonders belasteten Strecken wird das Profil UIC60 verwendet, das, wie die Bezeichnung schon vermuten läßt, ein westeuropäisches Einheitsprofil ist. Diese Weichen gibt es seit etwa 1960. Das osteuroopäische Pendant zum UIC-60-Profil ist das R65, aus ihm wurden die schweren Weichen der DR gefertigt. Dieses Profil steht der DR heute nicht mehr zur Verfügung, so dass sie ausfallende Weichen durch UIC60-Bauarten der DB ersetzt.

Heute sind alle Profile bis S49 in der DIN5901 zusammengefasst, die DIN5902 enthät heute die Laschen. Die schweren Profile sind nicht mehr in der nationalen Norm enthalten, da sie auf europäischer Ebene spezifiziert werden.

Die Privatbahnen, genauer: alle privaten Eisenbahnen, also auch Hafenbahnen, Industrieanlagen und schlichte Gleisanschlüsse, verwendeten in der Regel Weichen aus Profilen nach preußischer Norm. Das ist bis heute so, so dass sich Weichen aus den Profilen 6d und 8a auch funkelnagelneu finden lassen, und sie entsprechen hinsichtlich ihrer sonstigen Merkmale wie z.B. Geometrie und Schwellenlage bis heute den preußischen Zeichnungen. Dies ist auch der Grund, weshalb die preußischen Profile mehr oder weniger baugleich in die DIN5902 übernommen wurden. Für belastetere Strecken werden natürlich auch Weichen aus S49-Profil oder noch schwereren Schienen für private Kunden gebaut. Auch für Privatbahnweichen gibt es eine neuere Norm, die modernen Vorstellungen entspricht. D.h. vor allem, dass der Radius in der Gleismitte gemessen wird und die Zungen keinen Anschlagwinkel mehr haben, der Bogen also tangential zum Stammgleis verläuft.

Radius

Als nächstes wird der Radius der Weiche aufgeführt. Dabei ist keinesfalls jeder beliebige Wert möglich. Man einigte sich auf einige Standardradien, die jeweils eine bestimmte, meist auch signalisierbare Fahrgeschwindigkeit erlauben:

190 m40 km/h
300 m50 km/h
500 m60 km/h
760 m80 km/h
1.200 m100 km/h
2.600 m 120 km/h

Die drei ersten Radien wurden bereits von den Länderbahnen einheitlich benutzt, allerdings mit dem Unterschied, dass die Länderbahnverwaltungen (außer Württemberg) den Radius an der Fahrkante der bogenäußeren Schiene maßen. Seit DRG-Zeiten wird der Radius der Gleismitte angegeben. Eine preußische 190-m-Weiche hat also nach heutiger Meßweise tatsächlich nur einen Radius von 189,272 m. Daraus und aus einer anderen konstruktiven Ausführung der Zungen ergab sich, dass Länderbahnweichen bei gleichem nominellen Radius und Abzweigwinkel deutlich kürzer sind als die Reichsbahnweichen, so dass ihr Austausch nicht ohne Arbeiten an den anschließenden Gleisen möglich war.

Der Weichenradius von 1.200 m wurde erstmals 1929 bei den Reichsbahnweichen benutzt. 760 m als Weichenradius führte die DB Anfang der 50er Jahre ein, daher gibt es diese Weiche nicht bei der DR. Eine Weiche mit 2.600 m Radius schuf die DB in den 60er Jahren. Allerneueste Zugänge im Weichenzoo der DB sind die Bauarten für 160 km/h - Radius 3.600 m - und für 200 km/h - Radius 6.000 m.

Die Länderbahnen benutzten vor Einführung der Einheitsradien jeweils eigene Radien - hierzu später einmal in einem Kapitel über Länderbahnweichen mehr.

4. Abzweigwinkel

Als nächstes wird der Abzweigwinkel der Weiche angegeben. Diesen Winkel in Grad zu benennen ist allerdings eine Eigenheit der Modellbahnprospekte, zumindestens in Deutschland, denn die deutschen Bahnen gaben aus Gründen, die gleich deutlich werden, stets den Tangens des Weichenwinkels als Maß an, anders als z.B. die Österreicher, die tatsächlich Gradangaben benutzten. Die deutsche Standardweiche hat ein Endneigung von 1 : 9, dass heißt praktisch nichts anderes, dass sich das abzweigende Gleis, wenn es hinter der Weiche gerade weitergeführt ist, vom Stammgleis auf 9 m Strecke um 1 m entfernt. Näheres siehe Kästchen. Je größer die Zahl nach dem Doppelpunkt ist, desto flacher ist die Weiche, je kleiner, desto steiler. Nicht ohne Grund wird dabei im allgemeinen und so auch hier von der "Endneigung" der Weiche gesprochen. Denn bei einem großen Teil der Weichen läuft der Bogen des abzweigenden Gleises durch das Herzstück durch. Der Abzweigwinkel der Weiche ist also größer als der Schnittwinkel am Herzstück. Die deutschen Weichen werden also ausdrücklich nicht nach ihren Herzstücken typisiert (das ist in anderen Ländern teilweise nicht so, z.B. USA). Natürlich können Radius nach Punkt 3 und Endneigung nach Punkt 4 nicht beliebig miteinander kombiniert werden; sie gehören in bestimmter Weise zusammen. Das System ist so aufgebaut, dass es zu (fast) jedem Radius zwei Weichenwinkel gibt, eine steilere Weiche, bei der der Bogen durch das Herzstück durchläuft, und eine flachere, bei der der Bogen vor dem Herzstück endet, das Herzstück also gerade ist. Umgekehrt läßt sich jede Endneigung sowohl durch eine Weiche mit kleinerem Radius und geradem Herzstück erzielen als auch durch einen weiteren Bogen, der dann durch das Herzstück durchläuft. Dieses System reduziert vor allem die Zahl der erforderlichen Bauteile, angepaßt an den Verwendungszweck können wie aus einem Baukasten die passenden Weichen zusammengesetzt werden; außerdem lassen sich Weichen austauschen, z.B. beim Rückbau auf niedrigere Fahrgeschwindigkeiten oder beim Ausbau auf höhere, ohne dass der ganze Gleisplan geändert werden muss. Wie das funktioniert, wird beim Studium der folgenden Aufstellung der Weichen der heutigen Bundesbahn deutlich:

1.190 - 1 : 7,5gebogenes Herzstück
2.190 - 1 : 9gerades Herzstück
3.300 - 1 : 9gebogenes Herzstück
4.300 - 1 : 12 gibt es nicht!
5.500 - 1 : 12gebogenes Herzstück
6.500 - 1 : 14gerades Herzstück
7.760 - 1 : 14gebogenes Herzstück
8.760 - 1 : 18,5gerades Herzstück
9.1.200 - 1 : 18,5gebogenes Herzstück
10.1.200 - 1 : 26,5gerades Herzstück
11.2.600 - 1 : 26,5gebogenes Herzstück

Alle Weichen, die in dieser Tabelle eine ungerade laufende Nummer haben, besitzen also ein gebogenes Herzstück, die anderen ein gerades. Das System hat eine Lücke bei der Nr. 4, diese Weiche gibt es nicht (allerdings eine 300 - 1 : 14). Die Nummern 2, 3, 5 und 6 existierten schon zu Länderbahnzeiten, die Nummern 1 und 9 seit der DRG, alle anderen sind Neuentwicklungen der Bundesbahn.

5. Abzweigrichtung

Hier handelt es sich um die schlichte Mitteilung, ob das Zweiggleis rechts oder links von Stammgleis abzweigt.

6. Zungenbauart

Drei Bauarten von Weichenzungen sind möglich: Gelenkzungen, Federzungen und Federschienenzungen, wobei es verschiedene Ausführungen insbesondere bei den Gelenkzungen gibt. Näheres hierzu später.

7. Schwellenart

Wiederum drei Möglichkeiten: "St" für Stahlschwellen, "H" für Holzschwellen, "B" für Betonschwellen. "Hh" steht für Hartholz, das bedeutet, dass alle Schwellen der Weiche aus Hartholz (z.B. Eiche, Buche, auch tropische Hölzer) gefertigt sind. Die unterm Herzstück und unter der Zungenvorrichtung sind jedoch immer aus Hartholz, bei den übrigen Schwellen kann aus Kostengründen auch Weichholz verwendet werden.

Soviel ersteinmal zur Bezeichnung von Weichen bei den deutschen Eisenbahnen. Zwei Ergänzungen noch: Natürlich lassen sich die verschiedenen Bestandteile nicht beliebig kombinieren. Manche Angaben liegen bauartbedingt fest und werden deswegen oft auch weggelassen. So hatten bayrische Weichen fast immer Holzschwellen, badische hingegen stets Eisenschwellen, UIC60-Weichen weisen ausschließlich Feder­schienen­zungen auf, S54-Weichen immer Feder­zungen. Die Schnellfahrweichen der DB werden durchweg mit Betonschwellen gefertigt. In Bahnhofs­gleis­plänen werden meist nur Radius und Weichenwinkel angegeben, manchmal, vor allem auf älteren Plänen, nur der Winkel.