Neues von der Drahtkupplung

Dieser Artikel - Co-Autor Torsten Geißler - erschien im HP1 2/2001. Spätere Aktualisierungen sind rot gekennzeichnet.

Auf meinen Artikel im HP1 1/97 hin und im Rahmen der Vorführungen auf den Jahrestagungen in Nienburg und Lilienthal sind zur Drahtkupplung zahlreiche Anregungen eingegangen. Mittlerweile habe ich über 100 Güterwagen verschiedenster Bauarten und Hersteller umgerüstet, wodurch sich einige Ergänzungen und Korrekturen ergeben haben. Darüber hinaus haben eine ganze Reihe begeisterter FREMOhikaner eigene Versuche unternommen und einige höchst interessante Verbesserungen beigesteuert. Es ist also Zeit für einen Nachtrag.

So funktioniert die Drahtkupplung

Wie in Hp1 1/97 beschrieben, wird die Drahtkupplung aus einem Stück gebogen und mit dem Ende am Wagenboden fixiert. Die Strecke zwischen Befestigungspunkt am Kupplungsende und dem Kupplungskopf dient dem Seitenspiel, das für Kurvenfahrten und dem Einkuppeln notwendig ist. Der Drahtkupplungskopf besteht funktional aus zwei Teilen, dem oberen Fangbügel und dem unteren Kuppeldraht. Der Fangbügel sorgt beim Einkuppeln dafür, dass sich beide Kupplungen finden, während der Kuppeldraht der Aufnahme der Zugkräfte dient.

Die Maße für den Kupplungskopf gehen aus Skizze 1 hervor. Als praxistauglich hat sich eine Länge des Fangbügels von 3-3,5mm erwiesen, während der Kuppeldraht 3-4mm lang ist. Der Fangbügel wird seitlich um 45º und frontal um 30º aus der Horizontalen gebogen, während der Kuppeldraht seitlich und frontal bei 70º aus der Horizontalen liegt. Die Kupplungshöhe beträgt 9,5 mm über Schienenoberkante, gemessen an der Drahtmitte. Die Kupplung wird standardmäßig aus einem 0,3-mm-Stahldraht hergestellt. Für kurze Einbaulängen bewährt sich ein im FREMO kursierender Stahldraht von 0,25 mm Durchmesser. 0,2 mm sind zu dünn!

Für die Funktionsweise der Drahtkupplung ist das Zusammenspiel dieser Maße entscheidend, das kurz beschrieben werden soll. Für den Einkuppelvorgang gilt: Je kleiner der Winkel des Fangbügels aus der Zugrichtung der Kupplung (= Gleisachse) ist (Sollmaß 45º), desto leichter gleiten beim Einkuppeln die Fangbügel aneinander vorbei. Andererseits verringert sich mit dem Winkel des Fangbügels der Fangbereich, was auch für eine geringere Länge des Fangbügels gilt. Je kleiner der Fangbereich, desto größer ist die Gefahr, dass sich die Kupplungen nicht finden. Zudem muss der Fangbereich umso größer sein, je enger die verwendeten Gleisradien sind. Beim Fangbügel ist somit zwischen der Leichtigkeit des Einkuppelvorgangs und seiner Zuverlässigkeit abzuwägen. Die Einbaulänge der Kupplung wirkt auf die seitliche Flexibilität des Kupplungskopfes: Je weiter der Kupplungskopf ausholen kann, desto leichter kuppelt es sich ein. Die Federkraft des Drahtes wird zudem von seiner Stärke beeinflusst: je dicker der Draht, umso steifer die Kupplung. Der Kuppeldraht als funktionaler Teil der Drahtkupplung bestimmt die Sicherheit der Verbindung und den Pufferabstand. Je kürzer der Kuppeldraht und umso steiler er in der Seitenansicht ist (Sollmaß 70º), desto leichter kann es zu (ungewolltem) Entkuppeln kommen. Andererseits kann aufgrund des dann geringeren Kuppelweges der Kupplungskopf näher an der Pufferebene liegen., was den Pufferabstand beim Ziehen verkleinert. Folglich ist hier zwischen Funktion und Ästhetik abzuwägen. Das Ende des Kuppeldrahtes sollte in jedem Fall mindestens 0,5 mm vor dem Pufferteller liegen. Dies gilt für feste Puffer wie für Federpuffer, da deren Federweg lediglich zusätzlichen Spielraum bei den befahrenen Radien ergibt, kaum aber beim Einkuppeln. Insgesamt hat sich die Drahtkupplung in der Praxis als sehr tolerant gegenüber den genannten Maßen gezeigt. Zu ernsthaften Funktionsproblemen kam es bislang nur, wenn der Kuppeldraht zu steil gebogen war. Eine wichtige Eigenschaft der Drahtkupplung liegt darin, dass sie, wie das Vorbild der Schraubenkupplung, nur Zugkräfte aufnimmt. Beim Drücken hingegen erfüllen die Puffer ihre vorbildgerechte Funktion. Dies unterscheidet die Drahtkupplung, bis auf den Betrieb mit Originalkupplungsimitationen, von allen bekannten Modellbahnkupplungen und macht sie neben ihrer optischen Unauffälligkeit und geradezu genialen Schlichtheit so attraktiv. Gleichwohl sind damit die Ansprüche an die Stoßeinrichtungen der Fahrzeuge größer als bei den üblichen H0-Kupplungen. Der Einsatz von Federpuffern ist insoweit empfehlenswert, als die Wagen weicher gedrückt werden und gewährleistet ist, dass im Bogen stets beide Puffer die Schubkräfte übertragen. Gleisverbindungen mit engen Radien führen in der Praxis zu Überpufferungen, insbesondere wenn die eingesetzten Wagen unterschiedliche Achsstände oder Überhänge aufweisen. Der Einsatz der Drahtkupplung erfordert mithin vorbildgerechte Gleisgeometrien und eine sorgfältige Verlegung und unterstützt auch darin die Bemühungen innerhalb des FREMO um einen Fortschritt des Modellbahnwesens. Auf der Herbsttagung 2000 in Hammelburg war erstmals Gelegenheit, die Drahtkupplung im Rahmen einer Betriebssession auf dem H0-P-Arrangement zu testen und auch mal einen Ganzzug über H0-E-Gleise zu schicken. Das Ergebnis bestätigte die Erwartungen: Die engen PECO-Weichen des Schattenbahnhofs führten beim Schieben zu Überpufferung und Entgleisungen. Betrieblich gab es gegenüber der Bügelkupplung mindestens keine Nachteile. Ordnungsgemäße Justierung ist aber genauso notwendig wie bei allen anderen Kupplungen. Will man sehr lange Züge fahren, könnte es sich empfehlen, die Drahtschlaufe des Fangbügels mit sehr wenig Lötzinn zusammenzulöten

Montage im Wagenboden

Im meinem damaligen Artikel habe ich die Montage direkt im Wagenboden - also ohne Plastikklötzchen - noch als Option vorgestellt. Diese Methode ergibt in vielen Fällen die optisch attraktivste Lösung, vor allem, wenn das Beschwerungsgewicht im Fahrgestell untergebracht und der Boden daher flach ist (Trix und Fleischmann). Heute kann ich davon nur abraten. Die allerersten Wagen habe ich auf diese Weise umgerüstet und musste sie mir alle nochmals vornehmen, weil die Kupplungen nicht hielten und schwer zu justieren waren.

Montage im Drehgestell

Dies ist eine der Anregungen von der Nienburger Jahrestagung, die ich aufgegriffen habe. Die Vorteile liegen auf der Hand: Die Kupplung stellt sich im Bogen tangential ein und trifft daher leichter ihren Gegenspieler und weist insgesamt weniger Biegungen auf. Dies ist zusätzlich von Vorteil, da sie so beim Anfahren weniger auslängt, was insbesondere bei schlecht laufenden Fahrzeugen zu Schwingungen führen kann. Mittlerweile montiere ich die Kupplung in Drehgestellwagen nur noch darin. Bei den meisten Güterwagen lässt sich die Kupplung gut am Drehgestell montieren. Um genügend seitlichen Federweg zu erhalten, empfiehlt sich ein Montage im Drehpunkt oder am hinteren Querträger, vorm Drehpunkt geht aber auch, insbesondere bei Verwendung des 0,25-mm-Drahtes. Bei einigen Drehgestellen empfiehlt es sich, die Kupplung direkt ins Drehgestell zu kleben, entweder aus Platzgründen (Liliput SSym46 z.B., ROCO SSy45), oder weil sich das Material schlecht kleben lässt (ROCO SS15). Bei Einbau der Drahtkupplung lässt sich das Drehgestell umdrehen, wodurch unschöne Aussparungen für die Kupplung verschwinden.

Führt man die Kupplung über die Drehgestellachsen hinweg (auf den umgedrehten Wagen geblickt), sollte man den Kupplungsdraht durch ein Stückchen darüber geschobenen Isolierschlauch am Kurzschließen hindern. Allerdings heißt dies auch in vielen Fällen, dass die Kupplung nach unten gebogen werden muss (siehe Skizze 3), was dazu führt, dass sie unter Zug nach unten ausweicht. Dadurch vergrößert sich der Kuppelabstand ein wenig. Besonders deutlich ist dieser Effekt, wenn sich zwei auf solche Weise umgerüstete Güterwagen begegnen. Eine mögliche Gegenmaßnahme besteht darin, unter oder hinter die Pufferbohle einen Drahtbügel zu kleben, der das Ausweichen nach unten verhindert. Foto anbei.

Klein-Güterwagen

Wie in HP 1/97 berichtet, stellen die Klein-Güterwagen insofern ein Problem dar, als zum einen die Kupplungsdeichsel den Achshalter hält und sich zum anderen das Material dieses Achshalters nicht kleben lässt. Die einfachste Lösung ist natürlich die, die Kurzkupplungsdeichsel im Wagenboden zu belassen und nur den Kurzkupplungsschacht zu entfernen, wobei man ihn zu abschneiden, dass nichts mehr unter der Rahmenunterkante vorsteht. Einziger Nachteil dieser Methode. Ein Rückbau wäre nicht mehrmöglich.

Die aufwändigere Lösung heißt: Schrauben! Ebenfalls eine Anregung des Praxisseminars in Nienburg, für die gedankt sei. Ich habe zunächst in die Achshalter zwei Löcher von 1,1 mm Durchmesser gebohrt, dann die Achshalter, die im Rahmen etwas Spiel haben, möglichst mittig in den Boden gesetzt und die Löcher in den Boden verlängert. Dann werden die Bohrungen im Achshalter auf 2,0 mm aufgebohrt. In den Boden werden Gewinde M1,4 geschnitten. So lassen sich die Achshalter mit je zwei Zylinderkopf-Schräubchen 1,4x3 mm befestigen. Wenn man die Schrauben nicht ganz eindreht und mit Kleber fixiert, lässt sich das Spiel der Achshalter erhalten.

Bei kurzen Güterwagen (Omm, Gms30) landet man auf diese Weise in der Beschwerungsplatte, was im Prinzip kein Problem ist. Allerdings empfiehlt es sich, erst die Platte zu bohren und dann diese Löcher in den Wagenboden zu verlängern. Umgekehrt habe ich Probleme mit der Passung bekommen, weil der Bohrer beim Ansetzen im Metall doch immer etwas auswandert. Nachdem Achshalter, Wagenboden und Beschwerungsplatte miteinander verschraubt sind, sollte man die Beschwerungsplatte von oben glatt schleifen, falls die Schrauben überstehen.

Die Problematik des von Klein verwendeten Kunststoffes ist mittlerweile insoweit entschärft, als er sich vom Pattex-Plastic Kleber problemlos anlösen lässt. UHU Greenit tut es auch. Zur Ausrüstung der Klein-Wagen genügt es, den Achshalter auf einer Seite mit Pattex-Plastic anzukleben, während der andere Achshalter zwecks Dreipunktlagerung weiterhin von der Kurzkupplungskulisse fixiert wird. Um Platz für die Drahtkupplung zu schaffen, ist lediglich der Aufnahmeschacht zu entfernen.

Einbau in Triebfahrzeuge

Der Einbau in Triebfahrzeuge gestaltet sich oft mühsam, da im Bodenbereich oft nicht genügend Platz vorhanden ist. Der dann geringeren Kupplungslänge beziehungsweise der resultierenden schwereren Kuppelbarkeit lässt sich durch die Verwendung des erwähnten, dünneren 0,25-mm-Drahtes beikommen. Für tief geschürzte Fahrzeuge wie etwa Triebwagen hat Mathias Hellmann eine elegante Lösung entwickelt: Der Draht wird in Einbaulage durch eine Bohrung im Gehäuse gesteckt und erst im Inneren des Fahrzeuges, in einigem Abstand zur Gehäusebohrung, festgelötet. Unter Verwendung des 0,25-mm-Drahtes bleibt die Kupplung trotz der geringen Einbaulänge hinreichend beweglich, da der Federweg im Fahrzeug selbst entwickelt wird.

Justierung und Montage

Der eine Weg ist: Zunächst den Draht in das Klötzchen kleben, erst dann das Ganze in den Wagenboden. Dieses Vorgehen ist vergleichsweise zeitaufwendig, da zweimal zu kleben ist und jeweils das vollständige Abbinden gewartet werden muss. Ich bin dann dazu übergegangen, beides in einem Arbeitsgang zu erledigen. Dann aber verschärft sich ein ohnehin bestehendes Problem: Die Kupplung ist nicht sehr gut in Wagenlängsrichtung zu justieren, zumal die Seiten- und Höhenjustierung der Kupplung erst nach dem Abbinden erfolgen kann. Das Ergebnis war dann oft, dass die Kupplung etwas zu lang war, was zu größeren Wagenabständen führte oder hin, und manchmal auch zu kurz geriet. Das Justieren der Kupplung in der Länge vereinfacht sich zwar erheblich, wenn man zunächst den Träger befestigt und dann erst den Draht einklebt. Dies funktioniert aber auch nur, wenn der Wagenboden genug freien Raum dafür lässt. Schlicht und gut wie die Drahtkupplung selbst: Kupplung einlöten Befestigung und Justierung werden aber sehr viel einfacher, wenn die Drahtkupplung an ein in den Wagenbogen geklebtes Stück Pertinax (Leiterplatte) gelötet wird. Die Drahtkupplung ist damit jederzeit justier- und austauschbar, da sich eine Lötverbindung leicht lösen lässt. Das Pertinaxstück wird möglichst in Kupplungshöhe mit etwas Sekundenkleber (besser: Zweikomponentenkleber) im Wagenboden fixiert, bevor die fertiggebogene Drahtkupplung unter Zuhilfenahme von etwas Phosphorsäure oder mit Lötpaste aufgelötet wird. Lage und Einbaulänge lässt sich so stets korrigieren, zudem ist die Verbindung sehr stabil. Auf diese Weise lassen sich Wagen leicht in Serie umrüsten und justieren, wenn zunächst die Aufnahme für die Drahtkupplung gebastelt und dann die Drahtkupplungen hergestellt werden.

Justierung

Die Endkontrolle erfolgt anhand einer in Hp1 1/97 beschriebenen Lehre, die zentrische und höhenrichtige Lage der Kupplung misst, nicht aber die funktionsfähige Form des Kupplungskopfes. Diese wird am besten durch Praxisversuche, etwa an einem Urmodell, überprüft. Wer Interesse hat, kann bei Thomas Becker gegen einen mit 3 DM [Das war mal!] frankierten A5-Umschlag eine Liste mit Maßen und Details für verschiedene Wagentypen und eine Skizze der Lehre bekommen. Per Ihmehl ist es sogar umsonst !

Transportsicherung

Da der Kopf der Drahtkupplung vor den Puffern liegt, sollten ausgerüstete Fahrzeuge angemessen transportiert und gelagert werden, um eine Beschädigung der Kupplung zu verhindern. So ist die werkseitige Verpackung gegebenenfalls mit Aussparungen zu versehen und der Wagen verrutschungssicher zu fixieren.

Die Drahtkupplung als neuer FREMO-Standard?

Wir meinen, die Aufschreie der H0-Aktivisten förmlich zu hören. Nein, für einen Breiteneinsatz der Drahtkupplung ist es noch zu früh, da weder das Kupplungssystem noch der FREMO selbst reif genug dazu sind. Es bedarf weiterer Experimente im Modulbetrieb, um die beschriebenen, wenn auch zunehmend geringeren Probleme weiter zu minieren. Dies soll bei einem ersten fahrplanmäßigen Betriebseinsatz in Hammelburg geschehen. Ein weiterer Hinderungsgrund liegt ohne Frage im nicht zu verleugnenden Umbauaufwand. Aufgrund dessen sowie ihrer Filigranität und Unauffälligkeit lässt sich die Drahtkupplung als Finescaleprodukt bezeichnen. Wer aber die geniale Schlichtheit der Idee der Drahtkupplung erfasst hat und etwa beobachten konnte, wie butterweich Fahrzeuge mit dieser Kupplung kuppeln, wird, wie wir, an diesem Thema dranbleiben.