Gedeckte italienische Güterwagenmodelle für die Epoche III

Dieser Artikel erschien in der MIBA 5/2010. Ergänzunge und spätere Aktualisierungen, z.B. wegen neuer Modelle, sind rot gekennzeichnet.

Italien war (und ist) ein wichtiger Handelspartner der Bundesrepublik, und so waren italienische Güterwagen häufig zu sehen auf deutschen Gleisen. Das ist auch den Modellbahnherstellern im deutschen Sprachraum nicht verborgen geblieben, und so gab es von den meisten großen Herstellern irgend etwas italienisches Gedecktes im Programm. MÄRKLIN hatte ein sehr ansprechendes Modell seit 1964 im Programm, ebenfalls seit den Sechzigern PIKO einen Gedeckten und einen Kühlwagen. In der alten ROCO-Billigserie fand sich ebenfalls ein Italiener. Maßstäblich war keines dieser Modelle, und da die italienischen Hersteller in dieser Hinsicht wenig Nationalstolz zeigten, musste man mehr als dreißig Jahre auf brauchbare Modelle warten.

Gedeckte

Die dürftige Modelllage änderte sich nämlich schlagartig etwa um 1999, als die Firma LASER auf den Plan trat. Die Modelle dieses Herstellers waren maßstäblich, aber ihre Laufeigenschaften oft so miserabel, das man sie glatt für Standmodelle hätte halten können. Der deutsche Importeur gab alsbald entnervt auf, so dass dem deutschen Kunden entging, welch formidable Vielfalt an Vorbildern dieser Hersteller ins Modell umgesetzt hat. LASER verschwand 2002 wieder vom Markt. 2003 erschien ein neuer Hersteller namens MGM, der die im großen und ganzen die gleichen gedeckten Güterwagen ein weiteres Mal als Modell erscheinen ließ. MGM hielt aber auch kaum ein Jahr durch. Zwischendurch gab es dann auch noch einen Bausatz, den die italienische Modellbahnzeitschrift "Tutto Treno" auf den Markt brachte; diese Bausätze waren zwar spottbillig, aber man musste sie selber lackieren und beschriften; hergestellt werden sie übrigens von ITALERI.

Ein weiterer italienischer Modellbahnhersteller darf allerdings nicht unerwähnt bleiben, er ist ein Sonderfall, sowohl was die eigene Dauerhaftigkeit als auch die der Modelle betrifft: Die Firma SAGI. Die SAGI-Modelle sind komplett aus geätztem Messingblech gefertigt. Natürlich sind diese Messingmodelle deutlich teurer als die solche aus Kunststoff und letztlich nicht für den breiten Markt geeignet.

Die Vorbilder

Welche Typen waren nun für den internationalen Verkehr der Nachkriegszeit die wichtigsten? Da die italienischen Eisenbahnen bis zur Einführung der UIC-Beschriftung nur wenige Nebengattungszeichen benutzt haben und davon die meisten auch nur vorübergehend, waren praktisch alle italienischen Gedeckten ein "F". Das Hauptgattungszeichen "E", das Wagen für den Obst- und Gemüsetransport trugen, verschwand schon in den Dreißigern wieder zu Gunsten von "F". Bleibt noch "G", dies waren Wagen, die auch dem Großviehtransport dienen konnten und deswegen nicht die typischen Lüftungsschieber hatten. Nebengattungszeichen gab es bei den Gedeckten nur wenige, und Baureihen­nummern wie bei der DB gar nicht. Zur Unterscheidung fügt man also am besten dem "F" oder "G" das Baujahr oder die Baujahre hinzu. Wichtig sind für den deutschen Modellbahner natürlich vor allem die Vorbilder, die die FS 1953 in EUROP-Park mitbrachten, da die die höchste Wahrscheinlichkeit hatten, ins Ausland geschickt zu werden. Das waren im einzelnen:

1G19324500 mm Radstand, Rahmenlänge 8690 mm, nur mit Bremserhaus
2F1937-19466100 mm Radstand, 8000 mm Rahmenlänge (mit Handbremse 8690 mm), vier Lüftungsschieber je Wagenseite
3F1942-19466100 mm Radstand, 8000 mm Rahmenlänge (mit Handbremse 8690 mm), zwei Lüftungsschieber je Wagenseite
4F1957UIC-Standard-Gedeckter

Weitere Nachkriegsneu- oder umbauten waren:

5F1945-19474500 mm Radstand, 7980 mm Rahmenlänge (mit Handbremse 8690 mm), Wagenkasten des F von 1942/46 auf älteren Fahrgestellen
6Fma19524500 mm Radstand, 8000 mm Rahmenlänge (mit Handbremse 8690 mm), "ma" steht für "monte alta" = hohes Dach, diese Wagen hatten ein Korbbogendach

Das Hauptgattungszeichen "H" trugen alle gedeckten Sonderbauarten, darunter fallen vor allem die Kühlwagen, aber z.B. auch Wagen mit Stirntüren für den Fahrzeugtransport. Hier waren die Nebengattungszeichen etwas häufiger; "g" stand für Kühlwagen ("ghiacciaia" = Eiskeller), "Hgp" waren Kühlwagen mit isolierenden Wänden, "Hgm" Fleischkühlwagen ("macellare" = schlachten). Dies sind nur einige Beispiele.

Gedeckte

ACME und BRAWA

2009 war dann erneut das Jahr der italienischen gedeckten Güterwagen. BRAWA kündigte zur Spielwarenmesse einen Dreierpack mit zwei Gedeckten und einem Kühlwagen an, der im Dezember ausgeliefert wurde. Der italienische Hersteller A.C.M.E., der dem Vernehmen nach von früheren LASER-Mitarbeitern gegründet worden war und sich zunächst auf Modelle von Personenwagen konzentriert hatte, widmete sich nun ebenfalls den Güterwagen, kam BRAWA zuvor und brachte schon im Sommer 2009 einen ebensolchen Dreierpack auf den Markt.

Nun gibt es zwei ziemlich ähnlich aussehende Packungen, zwei gedeckte Güterwagen und ein Kühlwagen, von zwei verschiedenen Herstellern. Der Modellbahnkäufer sieht dies mit gemischten Gefühlen. Denn hier werden kostbare Ressourcen in Entwicklungen gesteckt, die sich dann möglicherweise nicht amortisieren, weil sie sich den Markt teilen müssen. So werden die Hersteller in einem ohne schwierigen wirtschaftlichen Umfeld zusätzlich geschwächt.

Wie auch immer, folgende Wagen sind nun lieferbar: Von A.C.M.E. (Best.-Nr. 45001) ein F von 1937-1946 ohne Handbremse, ein F von 1937-1946 mit Handbremse und ein Hg 1931 ohne Handbremse; von BRAWA ein F von 1937-1946 ohne Handbremse, ein F von 1942-1946 ohne Handbremse und ein Hg 1946 ohne Handbremse

So ähnlich sich die beiden Packungen auf den ersten Blick sind, auf den zweiten Blick ist nur ein Modell wirklich doppelt: Der F von 1937-46, also der mit den 4 Schiebern je Seite! Die Modelle beider Hersteller sind exakt maßstäblich und hervorragend detailliert. Die Einzelheiten der Ausführung mag man getrost den Vorlieben der Käufer überlassen. Wie viele der zahlreichen Lüftungsschieber geöffnet oder geschlossen dargestellt werden, wird keine Glaubenskriege auslösen. Auch sonst gibt es kleine Unter­schiede im Detail: Die Querstrebe auf den Stirnseiten liegt vor den vertikalen Streben - deutlicher bei ACME, nur schwach bei BRAWA, auch beim Vorbild gab es hier verschiedene Ausführungen. Auffallender sind schon die Durchmesser der Pufferteller: Die 5,0 mm bei ACME sind mit Sicherheit zu groß, die 3,8 mm bei BRAWA im Zweifel zu klein (es gab so kleine Pufferteller bei den italienischen Bahnen, aber wohl nicht mehr bei diesen Baujahren). Wer seine Wagen gerne aus der Schotterperspektive betrachtet, wird sich über die Unterseite der BRAWA-Modelle freuen, da die Bauart des Kupplungsschachtes nur wenig Störendes ins Bild bringt. Ein bemerkenswerter Unterschied ist die Ausführung des Dachfirstes. Bei ACME ist er deutlich abgerundet, was den allermeisten Vorbildaufnahmen dieser Wagen entspricht, auch wenn die Zeichnungen das Dach immer spitz darstellen. Die Dächer dieser "Spitzdachgüterwagen" sind also so spitz nicht, nur Aufnahmen von älteren Vorbildtypen zeigen tatsächlich ein winklig zulaufendes Dach, so zum Beispiel noch der oben erwähnte G von 1932. Vom F von 1937/46 ist ebenfalls ein Wagen mit "spitzem" Dach dokumentiert, allerdings einer mit Blechwänden statt der üblichen Sperrholzwände.

Gedeckte

Ein Unterschied allerdings ist gravierend: Die BRAWA-Modelle bilden die Ursprungsausführung der Vorbilder mit Gleitlagern und doppelten Federpaketen nach, die ACME-Modelle hingegen die spätere Version nach dem Umbau auf Rollenlager und einfache, aber dafür dickere Federpakete. Auch die Farbgebung - das gelbere Braun - und das Transit-T deuten darauf hin, dass die BRAWA-Wagen eher eine Epoche-II-Ausgabe darstellen, sie passen aber auch noch gut in die frühe Epoche III; sie sind so auch noch in EUROP-Park gelangt. Für die Epoche-IV-Version, die BRAWA ebenfalls anbietet, sind sie allerdings nicht wirklich geeignet. Die ACME-Wagen hingegen mit ihrem UIC-Rotbraun, dem RIV-Zeichen und den Rollenlagern gehören eindeutig in die Blütezeit der Epochen III und IV. Eine EUROP-Beschriftung wäre natürlich schöner und für den Modellbetrieb auf deutschen Gleisen brauchbarer, aber das mag ja noch kommen; bei LASER wusste man das. Im ACME-Katalog 2010, nach Redaktionschluss der Nummer erschienen, werden sie angekündigt!

Fazit: Die Ähnlichkeit der beiden Dreier­packun­gen ist denn doch nicht so groß, wie es auf den ersten Blick scheint. Wer sich der Zeit ab etwa Epoche 3b widmet, wird ACME den Vorzug geben; wer sich an frühere Zeiten bis zur Epoche 3a hält, wird sich an die BRAWA-Modelle halten. Und wem die Epoche egal ist, hat an beiden seine Freude.

ACME hat seine Mo­del­le übrigens in Polen mit pol­ni­scher Beschriftung ange­boten, was ver­mu­ten lässt, dass diese Wagen kriegsbedingt in Polen geblieben sind. Eine jugoslawische Ausführung steht im Katalog, eine willkommene Ergän­zung, denn es gibt derzeit kein einziges Modell jugoslawischer Vor­bilder für die Epoche III.

Zum Schluss noch ein Blick auf weitere Modelle, die heute noch lieferbar sind: Von PIKO gibt es seit den 60er Jahren ein Modell des F von 1925/36, an sich ein schönes Modell, aber leider 2 mm zu kurz, da der Kasten auf ein deutsches Fahrgestell passen musste. Das selbe gilt für das ebenfalls sehr ansprechende Modell eines Kühlwagens, des Hg von 1931, also des gleichen Vorbildes wie bei BRAWA. Das ROCO-Modell aus der Billigserie stellt den FF von 1937/42 dar, allerdings erheblich verkürzt; ein maßstäbliches Modell gibt es bei SAGI. Der UIC-Standard-Güterwagen der FS war als Modell von LIMA und ROCO lieferbar, beide ohne EUROP-Beschriftung. Mit EUROP-Beschriftung war es bei RIVAROSSI im Programm.

Nachtrag

Zur Farbe der italienischen Güterwagen: Die waren ursprünglich "kupferbraun" (RAL8004) lackiert (meinte jedenfalls die Bauanleitung des Tutto-Treno-Bausatzes). 1955 erfolgte die Umstellung auf das mehr oder weniger einheitliche UIC-Rotbraun. Natürlich wurden die Wagen nicht wegen ihres Anstriches in die Werkstätten geholt. Die Neulackierung erfolgte anlässlich der Hauptuntersuchung. Geht man von sechsjährigem Untersuchungsabstand aus, dürften die letzten Wagen in alter Farbgebung 1961 verschwunden sein.

Zu den Radlagern: Die 1957 eingeführten UIC-Standard-Wagen hatten von vorneherein Rollenlager. Man kann also annehmen, dass spätestens zu dieser Zeit der Umbau der älteren Wagen begonnen hat. Es gibt keinen Hinweis darauf, dass in der Epoche IV noch Wagen mit Gleitlagern dem internationalen Verkehr dienten.

Zum Dach: Es gibt in der Literatur ein einziges Foto eines F von 1937 mit "spitzem" Dach. Dies war allerdings ein Wagen mit Stahlwänden. Es gibt kein Foto eines F von 1942 mit spitzem Dach. Das schließt nicht aus, dass es solche Wagen gab, macht es aber auch nicht gerade wahrscheinlich. Die Bildunterschriften in der MIBA, die von früherer und späterer Ausführung sprechen, beruhen auf einer Vermutung der Redaktion.

Nachtrag Juli 2010

Die mittlerweile erschienene jugoslawische Ausführung des F von 1947/46 hat übrigens ein Fahrgestell mit doppelten Federn und Gleitlagern! ACME hat also zwei Fahrgestelle geschaffen. Weiter gibt es von dem Wagen auch eine sowjetische Ausgabe. Auch sie hat (ebenso wie die oben erwähnten polnischen Exemplare) doppelte Federn und Gleitlager - richtigerweise, denn als diese Wagen 1945 den Besitzer wechselten, war von Rollenlagern noch nicht die Rede.

Nachtrag Januar 2013

Was die Vielfalt der LASER-Modelle betrifft, so gibt es immer wieder neuen Zuwachs. Zum Beispiel eine Packung mit drei Fährboot-Kühlwagen.

Nachtrag September 2022

Bei BRAWA ist eine ganze Flotte von UIC-Standard-Gs erschienen. Sowas gab es schon früher, FLEISCHMANN und dann auch ROCO haben ihre einchlägigen Modelle deutscher UIC-Standard-Gs auch mit Beschriftungen anderer Verwaltungen angeboten. Das konnte man faute de mieux akzeptieren, aber eigentlich sehen sich die Vorbilder zwar sehr ähnlich, aber es gibt doch sichtbare Unterschiede. Z.B. die Bremsanlagen, Schweizer Gs haben nun mal eine Oerlikon-Bremse, französische eine Westinghouse-Bremse, italienische eine Breda-Bremse. BRAWA hat diesen Unterschieden nun endlich Rechnung getragen.

Auch vom langen FF gibt es mittlerweile neuere Modelle, und zwar von ACME und von ROCO.

Modellfotos
F
L9890172
Baureihe F von 1905/12
L5850453
Baureihe F von 1914
L5850086
Baureihe F von 1920
L5850069
Baureihe F von 1922
L5850458
Baureihe F von 1924
L5850450
Baureihe F von 1925/1936
L5850668
Baureihe F von 1925/1936
L5850667
Baureihe F von 1925/36
L5850670
Baureihe FF von 1925
L5860033
F von 1937/46 von MÄRKLIN
L9890167
F von 1937/46 von SAGI
L5860002
F von 1937/46 von LASER
L9981259
F von 1937/46 von LASER
L5860006
F von 1937/46 von MGM
L9981261
F von 1942/46 von MGM
L9920326
F von 1937/46 von BRAWA
L9981260
F von 1937/46 von ACME
L5870064
F von 1942/46 von MGM
L5870063
F von 1942/46 von MGM
L5850094
FF von 1937/42 von SAGI
FF von 1937/42 von ACME
L3006727
FF von 1937/42 von ROCO
L9890246
FF von 1942/46 von Laser
L3006708
FF von 1942/46 von ACME
L5850457
Fo von 1951
L5850455
Fma von 1952 von SAGI
L5850671
Fma von 1952 von LASER
L5860011
Fma von 1952 von MGM
L5860026
F von 1957 (RIVAROSSI)
L3006698
F von 1957 (BRAWA)
L5870022
Fl von 1959
G
L9890174
Baureihe G von 1932
L5850071
Baureihe G von 1938
L5850672
Baureihe G von 1938
L5850085
Baureihe G von 1939/1947

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