Ostblock-Güterwagen
Dieser Artikel erschien in der MIBA 8/1994. Spätere Aktualisierungen, z.B. wegen neuer Modelle, sind rot gekennzeichnet. Die Tabelle halte ich nicht mehr auf dem neuesten Stand. Letzte Aktualisierung: Dezember 2017.
Zum internationalen Verkehr auf der Eisenbahn gehören natürlich aus Güterwagen aus den Ländern, die man zur Zeit des kalten Krieges und der Konfrontation "Ostblock" nannte. Nach dem der Eiserne Vorhang für immer zur Seite gezogen ist, ist auch hier in die Modellszene Bewegung gekommen.
In der guten alten Zeit waren Modelle nach osteuropäischen Vorbildern ein Domäne der Firma PIKO, die der einzige oder zumindest einzige größere Modellbahnhersteller im Wirtschaftsgebiet des COMECON war und daher die sozialistischen Bruderstaaten mitversorgte. Es gab von den Modellen der Sonneberger Firma nicht nur zahlreiche Beschriftungsvarianten der westeuropäischen Verwaltungen, der Katalog zeigte auch Ausführungen für alle Mitglieder des Ostblocks und für das - offiziell blockfreie - Jugoslawien. Allerdings waren die früher fast nicht zu bekommen, so dass man schon an ihrer realen Existenz zweifelte, aber nunmehr kann man doch so manches seltene Stück im Gebrauchtwarenregal, auf Flohmärkten und bei ebay auftreiben.
PIKO stellte ein recht breites und überwiegend maßstäbliches Programm an Reichsbahn-Güterwagen her. Da die Vorbilder aufgrund des Kriegsverlaufes in praktisch alle Länder Europas verstreut wurden und dort auch nach dem Krieg verblieben (Ausnahme: Ungarn), konnten auch die Modelle ohne Schwierigkeiten als PKP-, ČSD- oder JŽ-Fahrzeuge angeboten werden. Aus heutiger Sicht muss man natürlich einschränken, dass der G20 keiner war und dass der G90 als urpolnischer Güterwagen wohl kaum als Modell eines bulgarischen Vorbildes in Frage kommt. Am ähnlichsten ist ihm ein 1935 in Österreich gebautes Vorbild, allerdings müsste die Ladeluke im Seitenwagenfeld ganz rechts sein, nicht im zweiten von rechts wie bei PIKO. Und der G10 ist ein (unmaßstäblicher) G02 und somit für den internationalen Verkehr nach 1945 ganz einfach zu alt. Aber für die offenen Güterwagen, die Kriegsbauarten "Villach" und "Klagenfurt", für den preußischen "Ludwigshafen" und den Austauschbau-"Königsberg" gilt, dass sie in jeder osteuropäischen Ausführung glaubhaft sind.
Nachdem nun der Wohlstand in den Ländern des einstigen COMECON steigt und dort jetzt auch Modellbahnen einen Markt zu haben scheinen, bringen nunmehr auch Westfirmen in steigender Zahl Modelle osteuropäischer Verwaltungen auf den Markt. Als Beispiel seien "Oppeln" und der "Klagenfurt" von KLEIN in PKP-Ausführung genannt. PIKO hat den "Villach" als Wddo der PKP im Programm. LILIPUT hat eine sehr schöne Viererpackung "Osteuropa" auf den Markt gebracht mit einem tschechoslowakischen "Linz", einem polnischen und einem jugoslawischen "Oppeln" und einem Kesselwagen im ungarischen Kesselwagenbraun. ROCO hat Modelle aus seiner alten Billigserie in ČSD-Ausführung herausgebracht.
Natürlich hat diese Entwicklung zur Folge, dass die Lieferungen aus Osteuropa an unseren Modellladestellen wie durch Zufall fast nur in ehemalig deutschen Fahrzeugen angerollt kommen. Es gibt leider nur wenige Modelle genuin osteuropäischer Fahrzeuge. PIKOs polnischer gedeckter Kdf ist eine Ausnahme, die wahrscheinlich einer Verwechslung zu verdanken ist. Eine weitere Ausnahme sind der Gm(s)39 und der Omm39 von einstmals VACEK, die auch beim Vorbild aus der Tschechoslowakei kamen und natürlich auch in ihrer Heimat eingesetzt wurden. Weitere Ausnahmen sind solche Fahrzeuge, die beim Vorbild in der DDR gebaut und in andere COMECON-Staaten exportiert wurden, und die PIKO im Programm hatte und hat; das sind z.B. der OOtz47 (auch ČSD) und der TTnrhs19 (CFR und ČSD).
Erwähnt sei nochmals, dass auch die osteuropäischen Verwaltungen UIC-Standard- oder an die Standards angelehnte Güterwagen eingesetzt haben. Der Gs, ausschließlich in Rumänien gebaut, wurde von allen Verwaltungen außer der DR beschafft. Den Standard-Gbs gab es in Ungarn und Bulgarien, die DR-Ableitung mit Blechaufbau auch in Rumänien. Der deutsche SSlmas53 ist z.B. auch in Ungarn beheimatet. Alle diese Wagen sind als Modell schon verfügbar und sind in jedem Fall für die Epochen IV und V geeignet (für die Epoche III müsste das erste Einsatzdatum geprüft werden). An Modellen gibt es hiervon bislang wenig, die einzige Ausnahme ist der UIC-Standard-Offene der MAV, den PIKO früher lieferte, allerdings mit falschem Radstand. Aber das Fahrgestell vom preiswerten ROCO-Omm53 passt drunter! Immer noch nicht als Modell gibt es den Standard-Ga(g)s, auf den wir schon in MIBA 12/98 hingewiesen haben.
Mittlerweile gibt es in Ungarn, vor allem aber in Tschechien zahlreiche kleine Modellbahnhersteller. Die konzentrieren sich naturgemäß zunächst auf Loks und Personenwagen. Das Güterwagenangebot ist noch sehr gut überschaubar. Aber das wird sich ändern, so hoffen wir. Insbesondere solche Wagen, die später auch bei der DB liefen wie der polnische Gl90 oder die tschechoslowakischen Gl(t)93 sollten auch in Deutschland einen attraktiven Markt finden.
Aber da ist noch eine zweite Riesenlücke: Es gibt keine Modelle österreichischer Güterwagen der Epoche I. Und das ist aus historischen Gründen auch für unsere östlichen Nachbarn von Bedeutung, was den Güterwagenpark betrifft. Ungarn und die Tschechoslowakei gehörten bis 1918 zur Gänze der österreich-ungarischen Doppelmonarchie an, Jugoslawien, Rumänien und Polen zumindest mit einem Teil ihres späteren Staatsgebietes. Somit bestand auch der Güterwagenpark dieser Länder 1918 ganz oder teilweise aus österreichischen Fahrzeugen, und die sollten sich wie ihre deutschen Kollegen der Verbandsbauarten bis weit in die Epoche III hinein gehalten haben. Angesichts der Tatsache, dass in Österreich an potenten Modellbahnherstellern kein Mangel ist, nimmt diese Zurückhaltung ein wenig Wunder. Mehr Nationalgefühl, Herr KLEIN und Frau ROCO! KLEIN ist dieser Aufforderung ja in gewisser Weise nachgekommen, aber die neuen Epoche-I-Modelle bilden so frühe Vorbilder nach, dass sie schon für die Epoche II gerade eben noch zu gebrauchen sind.
VACEK und BRAMOS sind leider beide mittlerweile Geschichte, schade! PIKO hat derweil eine Dreierpackung mit offenen Güterwagen auf den Markt gebracht, die ich mit gemischten Gefühlen erworben habe. Nur der PKP-Wagen war ein echter Gewinn, den ČSD-Wagen ebenso wie den DR-Ommu hat man eigentlich schon im Bestand. Schöne Bereicherungen sind aus dem Hause ROCO der PKP-SSy45 und der ČSD-Tnfrhs38. Den klassischen PIKO-Säuretopfwagen mit PKP-Beschriftung habe ich natürlich ebenfalls freudig begrüßt, ebenso den zweiachsigen PKP-"Uerdingen" von KLEIN!
Messeneuheit 2006: PIKO liefert den Rmm33 als PKP-Modell. Und bei KLEIN erscheint ein Gebinde mit zwei tschechoslowakischen Kesselwagen, ein zweiachsiger und ein vierachsiger "Deutz"
Februar 2007: Internetbesuch beim Warschauer Modellbahngeschäft "Parowozik", der in irgendeinem Modellbahnmagazin inseriert hatte, und da gibt es Sondermodelle aller Hersteller für alle Epochen, für die Epoche III allein finde ich zwölf! Unter anderem die Modelle der Travaux-Public-Güterwagen von FLEISCHMANN in einer polnischen Ausgabe; die Vorbilder wurden von den USA nicht nur nach Frankreich, sondern auch nach Polen geliefert. ROCO bietet in Polen mehrere Reichsbahngüterwagen in einer Landesversion an. Auch von KLEIN gibt es einige Sondermodelle, besonders schön das vom Gms31. Ein urpolnischer Güterwagen im KLEIN-Programm ist allerdings der 7K von 1950, dessen Modell es in grau und in braun gibt. Mittlerweile (Oktober 2007) ist er auch als ČSD-Güterwagen erhältlich. Eine hübsche in Deutschland erhältliche Neuigkeit ist der bekannte Sachsenmodelle- Kesselwagen im typischen ungarischen Kesselwagen-Rotbraun mit schwarzer Bauchbinde!
Im Dezember 2007 waren im neuen Ladengeschäft der Firma KLEIN in Wien die OOt43 in zwei verschiedenen polnischen Ausführungen zu sehen. Da diese Wagen nicht international verwendbar waren, führe ich sie hier nicht weiter auf. Ebenfalls weder MC- noch RIV-Zeichen trägt die tschechoslowakische Version des Silowagens von ROCO (Nr. 47314, 2011 erschienen)
2009 gab es wiederum zahlreiche osteuropäische Beschriftungsneuheiten. Insbesondere hat ROCO die von KLEIN übernommenen Modelle erneut in PKP-Livrée herausgebracht. Mein Favorit ist der UIC-Standard-Rungenwagen als Sy der MÁV!
2010 sind als besonders interessante Neuheiten der italienische F in polnischem und jugoslawischem Gewand zu verzeichnen (A.C.M.E.). 2012 hat ROCO mindestens zwei ehemalige KLEIN-Modelle als PKP-Varianten auf den Markt gebracht, einen Kühlwagen und den zweiachsigen "Uerdingen".
2012 bringt BRAWA den italienischen "Spitzdach"-Kühlwagen als MÁV-Wagen heraus und folgt damit dem Beispiel, das PIKO mehr als 40 Jahre zuvor gegeben hat.
Juli 2013: Zum ersten Mal in Rumänien! Ein Besuch in einem Bukarester Modellbahngeschäft fördert zwei FLEISCHMANN-Modelle für den örtlichen Markt zu Tage: Ein Kesselwagenpärchen und einen Bierwagen, allerdings mit der Beschriftung der Epoche II. Da muss der Epoche-III-Fan wohl akzeptieren, dass die Zeit der kommunistischen Diktatur unter Georghiu-Dej und Ceauşescu nicht zur Nachbildung reizt.
Auch 2014 gibt es wieder Zuwachs, u.a. den Gl11 mit Bremserhaus von FLEISCHMANN als Fahrzeug der PKP. Da der Wagen eine deutsche Bremse hat, muss es sich um ein erst in Folge des 2. Weltkrieges in Polen verbliebenes Exemplar handeln, sonst müsste er eine Westinghouse-Bremse haben.
BRAWA hat viele Güterwagenmodelle auch für den tschechischen bzw. slowakischen Markt herausgebracht, unter anderem dem Om21, den G10, den Gmhs30 und die Kesselwagenmodelle.
Ostblock-Güterwagen der Epoche III im Modell - Fotoindex